Zweifelhafter Dienst an guter Sache

Wewelsburg2010.jpg: Tbachner
Wewelsburg, von außen
Wewelsburg2010.jpg: Tbachner, Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE 

Wenn sich der Museumsführer im Ton vergreift

Vor Zeiten machte mich ein Freund mit dem juristischen
Grundsatz bekannt, wonach es >kein Recht im Unrecht< gibt. Bei einem
Besuch der im Paderbornischen gelegenen >Erinnerungs- und Gedenkstätte
Wewelsburg 1933-45< kam mir das Freundeswort in den Sinn, als ich mit
anhörte, wie einer der dortigen Erklärer sich gegenüber der Gruppe, die er
durchs Haus begleitete, zu Tiraden verstieg, die – in der Wahl der demagogischen
Mittel – wie dem >Stürmer< entnommen schienen. Denn auch unter
antifaschistischen Vorzeichen bleibt Demagogie Unrecht. Es gibt kein Recht im
Unrecht.

Zum besseren Verständnis und der Reihe nach: Die Paderborner
Fürstbischöfe errichteten die 20 Kilometer südlich ihrer Hauptstadt gelegene
Wewelsburg zu Beginn des 17. Jahrhunderts als >festes Schloss<.
Architektonisch nur sparsam gegliedert, imponiert die einst landesherrliche
Nebenresidenz durch ihre Höhenlage, die Massivität ihrer Dreiecksgestalt und
die Rundtürme in den Winkeln. Der nördliche im Scheitelpunkt der Anlage
übertrifft die beiden anderen an Durchmesser und machtvoller Erscheinung.
Anfang des 19. Jahrhunderts brannte er aus und blieb Ruine, bis er ins Zentrum
von Heinrich Himmlers Wewelsburgprojekt rückte. Der oberste SS-Scherge war
Anfang Januar 1933 während seines Aufenthalts im für die braune Propaganda hoch
bedeutsamen Landtagswahlkampf im Freistaat Lippe, bei dem er auf dem Boden des
germanischen Siegs über die Römer mental im Hermanns- und Cheruskermythos
badete, auf die trutzige Immobilie hingewiesen worden. Himmler erwarb sie, um
dort ein Tagungszentrum für die höchsten SS-Chargen samt neuheidnischer
Kultstätte einzurichten. In voll ausgebautem Zustand war im Dreiviertelkreis um
den klotzigen Schlossbau eine komfortable Kleinstadt für SS-Paladine
vorgesehen, von der Himmler noch kurz vor dem Zusammenbruch ein
Architekturmodell anfertigen ließ.

Himmler bei einer Besprechung im Jahr 1938. Über ihm ein Ölgemälde der Wewelsburg.
Bundesarchiv, Bild 183-R98680, Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE 

Nahebei befahl der Bauherr ein KZ mit angeschlossenem
Krematorium errichten. Dreieinhalbtausend Arbeitssklaven sind dort nachgewiesen.
Mehr als die Hälfte der Insassen fiel den mörderischen Bedingungen auf der
Baustelle zum Opfer.

Zum okkult dräuenden Sanktuarium der Totenkopfbande erkor
Himmler den wuchtigen Nordturm der Schlossanlage. Saniert und im Inneren vom
Leibarchitekten des SS-Chefschergen Hermann Bartels den pseudoreligiösen
Bedürfnissen seines Herrn und Meisters angepasst, imitiert das Untergeschoss
die Kuppeln mykenischer Königsgräber. Offenbar war der gruftartige Raum für den
Kult um Verstorbene vorgesehen. Vermutet wird, hier sollten die Urnen der
höchsten SS-Funktionäre beigesetzt werden.

Über der neuheidnischen Krypta erhebt sich der sogenannte
Obergruppenführersaal. In scheußlicher Rohheit verballhornen seine Arkaden das
Innere des Gralstempels, wie das Bühnenbild der Bayreuther
Parsifal-Uraufführung das Heiligtum imaginierte. Doch steht auf der Wewelsburg
kein Altar inmitten. In den Fußboden eingelassen ist ein radartiges
Sonnensymbol, dessen schwarzen Speichen sich bequem Hakenkreuzsegmente und
SS-Runen assoziieren lassen. Neubraune führen das finstere Sonnensymbol im
Bildrepertoire.

Der Nazigral gebot seiner durch Himmler statt den Heiligen
Geist beglaubigten Ritterschaft nicht, der Belegschaft von Montsalvat
nachzufolgen, um als Inbegriff christlicher Nächstenliebe zu Rettungstaten in
die Welt zu ziehen; die Totenkopfbande sann auf Sinistres: Rassenkampf und
Vernichtung.

Die Schlächter waren unglaubliche Spießer. In die Wände sind
– unübersehbar – Nischen für Heizkörper eingelassen. Mordsgemütlich, diese
Gralsburg.

Das Abscheuliche des Ortes spricht für sich. Schwülstige
Kommentare und Demagogie verharmlosen, was auf der Wewelsburg geschah.

Jener Erklärer freilich, von dem ich anfangs sprach, ließ
sich zur sogenannten Rassenlehre der Braunen wie folgt ein: Die körperlichen
Merkmale der Protagonisten widersprächen denen des vorgeblich arischen
Menschen. Der Mann verwies auf Hitlers wie Himmlers schmächtige Erscheinung,
den Goebbelsschen Klumpfuß, den vom Drogenkonsum aufgeschwemmten Morphinisten
Göring. Der Erklärer, der sich als im Hauptberuf Lehrer vorstellte, wörtlich:
>Alle ab ins KZ!<

Mir standen die Haare zu Berge. Nicht des völlig legitimen
Hinweises mangelnder physiognomischer Übereinstimmung von Nazigrößen mit den
von ihnen propagierten rassischen Merkmalen halber. Den Vergleich aber ins
Hetzerische umzumünzen und seinerseits mit der Forderung nach Einweisung ins KZ
die zivilisatorischen Schranken einzureißen, darf zu keiner Zeit und nirgendwo
geschehen. Geschweige an einem Ort des Gedenkens an die Opfer der
nationalsozialistischen Gewaltherrscher.

Wer trachtet, den Teufel mit Beelzebub auszutreiben, hat
sich längst mit dem Höllenpack eingelassen. 

Ort, an dem die Zivilisation Trauer trägt, darf auf der
Wewelsburg Demagogie keinen Platz haben. Es gibt kein >Recht im Unrecht<.

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