
Komödie
Von allein versteht sich die Einbeziehung des dem Wallraf-Richartz-Museum hauseigenen späten, um 1663 entstandenen, Selbstportraits in die Kölner Rembrandt-Ausstellung. Gänzlich verschieden vom geradezu majestätischen Habitus des Prager Gelehrtenbildnisses kommt der übermütige Blick des Malers auf die eigene Person daher. Wie aus zufällig aufgetragenen breiten Pinselstrichen setzt sich das pastose beinahe reliefierte Selbstbildnis zusammen oder – auch den umgekehrten Prozess anzunehmen ist legitim – löst sich ins bloß Akzidentielle auf. Organisation und Entropie bestimmen die Geschicke des Kosmos wie des Menschen. So nicht minder Rembrandts Dasein. Gerard de Lairesse, erst Freund und später Kunstfeind Rembrandts, hatte aus seiner klassizistisch-französischen Sicht schon nicht Unrecht, wenn er die Malweise als >Kleckserei< qualifizierte.

Gemeinsam ist dem Prager Gelehrtenbild wie dem späten Selbstbildnis immerhin die Eigenschaft als Rollenportrait. Rembrandt fungierte für letzteres als sein eigenes Tronie (Studienkopf). Nach jüngerer Auffassung stellt der Maler sich sechs Jahre vor seinem Tod als sein antiker Vorgänger Zeuxis dar. Rembrandt schlüpfe mithin in die Rolle eines der prominentesten Künstlerkollegen aller Zeiten, der im Griechenland der bereits weit gereiften Klassik um 400 v. Chr. zu Werk ging . Eine Anekdote über Zeuxis möchte wissen, er habe sich beim Anblick einer hässlichen alten Vettel, die von ihm habe abkonterfeit werden wollen, des maßlos eitlen Ansinnens halber zu Tode gelacht. Rembrandts Schüler Arent de Gelder hat dies auf einem Bild im Frankfurter Städel auch so dargestellt. Für die Deutung von Rembrandts Selbstbildnis beweist das aber zu wenig. Schülerarbeiten geben sich häufig eben dadurch zu erkennen, dass sie des Meisters Vorbild entweder mehr als notwendig vereindeutigen oder allzu gesucht uminterpretieren.

Für mich ist daher die im Lauf der Zeit ein wenig aus dem Blickfeld geratene Benennung des Kölner Selbstbildnisses als Demokrit nicht vom Tisch. Der Vorsokratiker lehrte das Weltenchaos allein durch Humor erträglich, firmiert entsprechend unter >lachender Philosoph<. Der ganze Habitus des Kölner Selbstbildnisses führt eher zu Demokrit denn Zeuxis. Zwar nicht vom künstlerischen Rang, immerhin aber in Haltung und Mimik vergleichbar ist ein eindeutig als Demokrit identifiziertes Gemälde des nachmaligen Direktors der Pariser Königlichen Akademie der Künste und Hofmalers Antoine Coypel aus dem Jahr 1692 im Louvre. Coypel war nach Italien und am französischen Akademismus orientiert. Kaum anzunehmen, dass der Franzose Rembrandts spätes Selbstbildnis kannte.
Wie immer dem sei, Rembrandt gibt gegen Ende seines Lebens den Erzkomödianten auf jenem Theater, für das die Menschen des Barock die Welt ansahen. Vermeintlich überholt von Kunsttendenzen, denen nun auch die meisten seiner Schüler frönten und zudem Pleitier, konterfeit er sich auf dem Kölner Bild dennoch als Ausweis menschlicher Autonomie und Souveränität. Nicht der alltägliche Zwang setzt des Lebens finale Pointe, sie bleibt dem Künstler und Philosophen in Komödiantengestalt vorbehalten.
Der Schluss meiner Überlegungen folgt in einem der nächsten Beiträge.
Noch einmal der Link zur Ausstellung: